26.06.2020
Warum werden wir dick oder nehmen wir ab?
Die Standardantwort darauf ist, dass wir zunehmen, wenn wir mehr Kalorien konsumieren, als wir verbrauchen. Umgekehrt nehmen wir ab, wenn wir weniger Energie aufnehmen, als wir verbrauchen. Wir halten unser Gewicht, wenn Kalorienaufnahme und Kalorienverbrauch exakt 0 sind.
Davon einmal abgesehen, dass diese Sicht bei genauerer Betrachtung die Frage gar nicht beantwortet, ist das exakte Zählen von Kalorien in der Praxis ein Ding der Unmöglichkeit.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie befinden sich in einer Halle, die voll ist mit Menschen. Sie sehen kurz auf die Uhr und als Sie wieder hochschauen, stellen Sie fest, dass die Halle plötzlich beinahe leer ist. Sie fragen einen der Umstehenden, warum die Halle denn plötzlich so leer ist und der antwortet Ihnen: „Weil mehr Leute herausgegangen sind, als hereinkamen.“. Wäre das eine befriedigende Antwort?
Aber angenommen unser Gewicht wäre abhängig von einer exakten Kalorienzu- und abfuhr (wenn ich im Folgenden von „Kalorien“ als Einheit spreche, meine ich Kilokalorien).
Würden Sie Ihr Gewicht halten wollen, müssten Sie genau wissen, wie viele Kalorien Sie mit jeder Mahlzeit aufnehmen.
Eine nur geringfügige Abweichung von null könnte drastische Folgen haben, wie der Wissenschaftsjournalist Gary Taubes einmal aufgezeigt hat (dessen Buch „Good Calories, Bad Calories“ ich Ihnen wärmstens empfehlen würde zu lesen, wenn Sie einen Einblick in den katastrophalen Zustand der Ernährungs“wissenschaften“ haben möchten).
Nehmen wir an, Sie würden jeden Tag nur 20 Kalorien zu viel essen.
20 Kalorien pro Tag x 365 Tage = 7300 Kalorien oder etwa 2 Pfund überschüssiges Fett pro Jahr.
Aber kann man wissen, wie viele Kalorien man aufnimmt?
Ich glaube nicht.
Angenommen, Sie essen einen Joghurt und lesen das Etikett. Das Etikett gibt Ihnen die Kalorien sowie den Anteil an Fett, Protein und Kohlenhydraten an.
Woher kommen diese Informationen? Ich weiß es nicht genau, würde aber vermuten, dass es bisweilen Stichproben zur Analyse der Zusammensetzung gibt.
Dabei wird davon ausgegangen, dass die Inhaltsstoffe gleichmäßig über den Joghurt verteilt sind. Jede einzelne Abfüllung, so wird angenommen, hat somit die exakt gleiche Zusammensetzung wie die Stichprobe. Ich würde sagen, dass dies aber nur näherungsweise der Fall ist. Das heißt, wenn man alle Joghurts eines Supermarktes nimmt und sie einzeln analysiert, gibt es leichte Unterschiede in der Zusammensetzung und damit im Brennwert.
Wie das Gedankenexperiment oben zeigt, wäre selbst eine Abweichung von 2 Kalorien ein Problem.
Dann gibt es noch das Problem, wie die Kalorienwerte bestimmter Makro-Nährstoffe berechnet werden.
Für die verschiedenen Makronährstoffe nennt man gewöhnlich die folgenden Zahlen:
Kohlenhydrate / Protein / Fett = jeweils 4 / 4 / 9 Kalorien.
In Wirklichkeit sind die Zahlen eher so:
4.2 / 4.25 / 9.2
Was bedeutet, dass es sich um gerundete Zahlen handelt!
Daraus folgt, dass in jeder Kalorienberechnung bereits eine Abweichung von 0.65 Kalorien aufgrund der gerundeten Zahlen besteht.
Außerdem unterscheiden sich die Kalorien der verschiedenen Fettarten enorm.
Je gesättigter ein Fett ist, desto niedriger ist sein Brennwert:
- Mehrfach ungesättigte Fette: 9,1
- Tierisches Fett: 6,5 – 8
- Kakaobutter: 5.5
Wenn Sie also alle diese mit „9“ zählen, weicht Ihre Kalorienzählung schon enorm ab.
Auch Kohlenhydrate unterscheiden sich in den Kalorien:
– Zucker: 4.0 – 4.2
– Stärke: 4.44
Was auch immer vernachlässigt wird, ist, dass lösliche Ballaststoffe auch Kalorien haben, nämlich 2.
Wäre unser Körper von einem exakten Input-Output-Gleichgewicht abhängig, würden wir entweder immer zu viel oder zu wenig essen. Nehmen Sie einmal alle diese Ungenauigkeiten zusammen, dann sind Sie ganz fix bei „nur“ 20 Kalorien mehr (oder weniger).
Man kann Kalorien nicht exakt bestimmen.
Was vielmehr entscheidend ist, ist letztlich die Frage, was metabolisch mit verschiedenen Makronährstoffen passiert. Nicht wie viel – theoretischen – Brennwert sie haben.
Bildnachweis: Jeff Keyzer, „RF Calorimeter„, flickr.com – CC BY-SA 2.0
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