21.08.2020
Kürzlich schaute ich mir auf YouTube ein Gespräch zwischen zwei Sportwissenschaftlern an. In der Unterhaltung ging es um deren Erfahrungen mit ihren Klienten, darunter streckenweise auch Sportstudenten.
Beide hatten schon gemerkt, dass viele Leute einfachste und grundlegendste Bewegungsmuster nicht mehr beherrschen
Ich fand das ganz interessant, da ich diese Erfahrung auch oft mache. Wenn ich bspw. Klienten auf der Liege habe und sie bitte, das Becken vor und zurückzubewegen – also mit dem Becken zu „schaukeln“, dann wissen sie oft gar nicht, was sie jetzt tun sollen. Manche rollen dann seitlich auf der Liege hin und her. Erst wenn ich das Becken führe, kann die Bewegung einigermaßen ausgeführt werden
Das hat zweierlei Ursachen: Zum einen fehlt es an der Fähigkeit zur nervalen Ansteuerung bestimmter Teile des Körpers, schlicht, weil diese Bewegung nie gemacht wird. Das führt des Weiteren dazu, dass das entsprechende Fasziengewebe beginnt „steifer“ zu werden. Die Bewegungsamplitude ist dann eingeschränkt
Grundlegende menschliche Bewegungsmuster entstehen entlang einer Vertikalen
Wenn Sie sich einen Körper stehende von der Seite anschauen, dann können Sie verschiedene Achsen ausmachen
Unten befindet sich die Fußachse, darüber die Knieachse, darüber die Hüftachse und dann die Schulterachse
Wenn Sie sich nun eine Linie vorstellen, die vor dem Knöchel beginnt und dann wie ein Lot nach oben geht, so befindet sich im Idealfall die Fußachse leicht hinter der Linie, die Knieachse leicht davor, die Hüftachse leicht dahinter und die Schulterachse wieder leicht davor (siehe Bild oben).
Wenn Sie diese Punkte verbinden, dann erhalten Sie eine Zick-Zack-Linie. Grundbewegungsmuster bedienen sich einer oder mehrerer dieser Achsen.
Wenn Sie alle Punkte gleichzeitig wie bei einer Ziehharmonika aufeinander zubewegen, dann falten Sie sich praktisch zusammen. Die Endposition ist eine tiefe Hocke (können Sie das?).
Eine Übung
Ein anderes Grundbewegungsmuster, von dem ich aus meinen Unwinding-Kursen weiß, dass es vielen schwerfällt, ist das Zurückgleitenlassen des Beckens, sodass der Oberkörper nach vorne fällt. Hier wird nur die Hüftachse nach hinten geklappt. Der Oberkörper macht nichts und fällt dann nach vorne.
Stellen Sie sich die Hüftachse vor, wie ein Scharnier. Wenn Sie das Scharnier eindrücken, fällt der obere Teil nach vorne.
Wenn Sie das so einmal ausprobieren, dann muss dabei die Vorderseite des Oberkörpers lang werden und die Rückseite konkav.
Sie beugen also nicht den Oberkörper nach vorne, als wollten Sie einen „Diener“ machen (oder Ihrem Gegenüber eine Kopfnuss verpassen).
Sie stehen aufrecht und bewegen die Hüfte nach hinten – der Oberkörper folgt.
Sie können sich zum Üben mit etwas Abstand vor eine Wand stellen und dann mit Ihrem Po versuchen, der Wand einen Schubser zu geben. Wenn Sie nur den Oberkörper beugen, erreichen Sie die Wand nicht, bzw. der Po geht keinen Millimeter zurück.
Das Beherrschen solcher elementaren Bewegungsmuster ist Voraussetzung dafür, auch mit zunehmendem Alter beweglich zu sein. Sie sind auch Voraussetzung, wenn Sie Krafttraining machen wollen.
Einen Deadlift oder einen Kettlebell-Swing bekommen Sie ohne dieses Bewegungsmuster gar nicht hin.
Bildnachweis: Eigenkreation mithilfe einer Vorlage meines Kollegen Peter Scholten
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