Sie sind eine Faszie!
Alles in Ihrem Körper, Muskeln, Muskelfasern, Organe, Nerven, Knochen, ist von Faszie umhüllt.
Entnähme man Ihre Organe, Muskeln und Knochen, es bliebe eine Hülle über, die nicht nur als Mensch, Mann oder Frau, erkennbar wäre, sondern als „Das ist doch die Frau Meier!“.
Faszien – das sind diese milchigen, mal dickeren, mal dünneren Häute, die Sie sicherlich aus der Küche kennen, wenn Sie mit Fleisch arbeiten.
Das Fasziennetz ist ein 3-dimensionales Netzwerk, in dem buchstäblich alles mit allem zusammenhängt.
Diese Faszien haben eine Vielzahl von Aufgaben im Körper:
- Faszien trennen Strukturen voneinander
- Faszien geben dem Körper Form und Struktur
- Faszien sind anpassungsfähig
- Faszien übertragen Kräfte
- und einiges mehr
Die für unsere Zwecke wichtigsten Eigenschaften sind zunächst die Strukturgebung und die Anpassungsfähigkeit, oder Plastizität.
Stellen Sie sich Ihren Körper einmal in fünf große Blöcke eingeteilt vor:
- Kopf
- Brust
- Becken
- Beine
- Füße
Bei jedem Menschen gibt es eine charakteristische Anordnung dieser Elemente zueinander im Raum. Das nenne ich Ihre Körperstruktur.
Damit Ihr Körper ökonomisch und stabil ist, stehen diese Elemente im Idealfall möglichst gerade übereinander. Wie Bauklötze.
Ein Turm aus Bauklötzen kann auch nicht stabil stehen, wenn die Bauklötze nach vorn oder zur Seite herausragen.
Verdrehen Sie die Klötze am besten noch horizontal und vertikal und irgendwann purzelt alles zusammen.
Ihr Körper jedoch purzelt nicht einfach auseinander, sondern wird durch Muskeln und eben das Bindegewebe, also auch Ihr Fasziennetz, zusammengehalten.
Angenommen, Ihr Kopf steht sehr weit vor dem Körper. Der wiegt so seine guten 6 bis 7 kg. Damit der Ihnen nicht von den Schultern purzelt, arbeitet die Nackenmuskulatur dauerhaft und das „myofasziale Gewebe“ verklebt.
Ihre Nackenmuskulatur ist unter Spannung. Für diesen Zweck ist sie gar nicht gedacht. So entwickeln Sie irgendwann Schmerzsymptome. Haben Sie einmal versucht eine 7 kg Hantel mit dem Bizeps länger zu halten?
Das ist übrigens der Grund, warum Sie eine Körperhaltung nicht aktiv einnehmen und dauerhaft halten können. Das haben Sie sicherlich schon bei sich selbst beobachtet. Sie versuchen sich aufzurichten und merken, dass Sie nach einer Weile wieder in sich zusammensacken. Das liegt daran, dass Sie mit der Muskulatur gegen den faszialen Zug arbeiten müssen. Der Muskel erlahmt irgendwann. Wie bei der 7 kg Hantel. Sie müssen aufrecht sein, nicht sich aufrecht machen.
Wie kommt jetzt der Kopf auf den Körper?
Wenn Ihre Vorderseite „verkürzt“ ist, dann hat das zur Folge, dass der Kopf nach vorn kommt und die Schultern sich einrollen. Sie können das selbst ausprobieren: Stellen Sie sich hin, klappen Sie Ihr Becken nach vorn (so, dass sich die Einwärtskrümmung im unteren Rücken aufhebt) und beobachten Sie, wie Sie im Rücken rund werden und der Kopf sich nach vorn bewegt.
Die verkürzte Vorderseite resultiert daraus, dass sich Ihr Fasziengewebe den dominanten Bewegungs- und Haltungsmustern des Alltags anpasst. Oder anders ausgedrückt: So wie Sie Ihren Körper benutzen, baut er sich hin.
Wenn Sie viel sitzen, verkürzt sich die Vorderseite und der Kopf kommt nach vorn.
In Ihrem Körper gibt es verschiedene Faszien-Zuglinien. Diese sind bei jedem etwas anders,
je nachdem, wie Sie Ihrem Körper im Alltag verwenden. Verändern sich die Zuglinien, hat das zur Folge, dass die Körpersegmente „aus den Fugen“ geraten. So entstehen etwa Kippungen oder Rotationen im Becken, ein vorgeschobener Kopf, ein runder Rücken usw.
Spannungsänderungen im Fasziennetz führen zu Änderungen der Struktur. Entlang der Netzbahnen entstehen Bewegungseinschränkungen und manchmal eben Schmerzsymptome.
Der Witz ist, dass der Ort des Schmerzes nicht unbedingt der Ort der Ursache ist. Die Ursache kann entlang der Zuglinien in einer völlig anderen Region des Körpers liegen. Man hat es ja mit einem 3-dimensionalen, recht komplexen Netzwerk zu tun. Oder, wie ich meinen Klienten immer sage: Sie sind kein Knie, keine Schulter und kein Rücken, sondern ein kompletter Mensch.
Lesen Sie dazu auch meinen Artikel „Die Opfer schreien, nicht die Täter„.
Und mit diesem Denken gehe ich an die Sache heran.
Im nächsten Artikel erfahren Sie, wie man an den Faszien arbeitet.