Warum "Haltung" schädlich ist

Haltung hat man und macht man nicht

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29.06.2018

Professor Peter O’Sullivan ist ein australischer Arzt und Physiotherapeut und twitterte kürzlich:

„Holding rigid upright postures doesn’t make the disabled people I see feel well.“ (Starre aufrechte Körperhaltungen führen nicht dazu, dass meine behinderten Patienten sich wohlfühlen).

Darauf habe ich ihm geantwortet:

„Of course not. Actively holding a rigid posture means permanently contracting muscles. Try hold a 5 kg dumbbell with biceps for 10 minutes …“ (Das aktive Einnehmen einer starren Haltung bedeutet, dass man dauerhaft Muskeln kontrahiert. Versuchen Sie einmal eine 5 kg Hantel für 10 Minuten mit dem Bizeps zu halten ….)“

Meine Erwiderung wurde noch von jemandem kommentiert mit „Amen. Great analogy!“.

Als Körpertherapeuten unterscheiden wir zwischen einer „Haltung“ und einer „Struktur“.

Eine Haltung ist etwas, was man aktiv einnimmt, unter Zuhilfenahme der Skelettmuskulatur. Also bspw. das berühmte „Bauch rein, Brust raus“. Diese Haltung können Sie nur über einen bestimmten Zeitraum hinaus aktiv durchhalten. Irgendwann lässt die Muskelkraft nach, die Muskeln schmerzen und spätestens, wenn Sie von etwas anderem abgelenkt sind, was Sie vergessen macht, die Haltung einzunehmen, sacken Sie wieder in sich zusammen. Das ist anstrengend und unökonomisch und verbessert weder Bewegungseinschränkungen noch Schmerzzustände. Im Gegenteil.

Im Gegensatz zur Haltung ist eine Struktur die relative Ausrichtung einzelner Körpersegmente zueinander. Körpersegmente sind: Füße, Unterschenkel, Oberschenkel, Becken, Oberkörper, Hals und Kopf. Stellen Sie sich diese Körpersegmente als Bauklötze vor. Wenn Sie diese übereinander stapeln möchten, sodass ein stabiler Turm entsteht, so funktioniert das am besten, wenn die Bauklötze alle übereinander stehen, ohne, dass ein Teil kippt oder verschoben oder rotiert ist. Die Anordnung der Bauklötze – oder eben Ihrer Körpersegmente – bezeichnen wir als Ihre Struktur.

Die Struktur wird bestimmt durch fasziale Spannungszüge in Ihrem Körper. Wenn ihre Vorderlinie zu kurz ist, dann zieht es das Becken am Schambein nach oben und / oder den Brustkorb nach unten. Da die Faszienhülle eine endliche Menge darstellt – ähnlich wie bei einem Bodysuite – müssen andere Körperteile sich in ihrer Position verändern. Bei zu kurzer Vorderlinie wird der Rücken rund, die Schultern rollen sich ein und der Kopf kommt vor.

Ist Ihre Vorderlinie zu kurz und Sie versuchen nun aktiv eine gerade Haltung einzunehmen, so geht dies nur, wenn Sie mit Muskelkraft aktiv dagegen arbeiten. Das ist, als würden Sie sich ein kurzes Theraband (falls Sie nicht wissen, was das ist: hier klicken) um den Hals und um den Gürtel binden und dann versuchen dagegen zu arbeiten. Das geht nur so lange, wie Sie die Muskelkraft aufbringen können.

Wenn also Ihre Struktur – die etwas über Faszienspannungen in Ihrem Körper verraten – eine Aufrichtung nicht zulässt, können Sie das nur temporär aktiv einnehmen. Das aktive Halten führt allerdings dann dazu, dass Sie nach und nach einsteifen. Ihre Bewegungen werden weniger geschmeidig und es kommt zu Bewegungseinschränkungen. In extremen Fällen sogar zu Kalzifizierungen von Fasziengewebe. Das Gewebe gleicht dann eher Holz, als einem menschlichen Gewebe.

Mancher, der den Tipp bekam, das Becken und die Wirbelsäule immer neutral zu halten und das sehr ernst nahm, musste feststellen, dass er nach einer Zeit den Rücken nicht mehr krumm machen oder eine Drehung im Oberkörper ausführen konnte.

Durch das permanente Halten war der Körper dazu gar nicht mehr in der Lage und eingesteift. Wenn Sie nicht mühelos aufrecht sind, hilft Ihnen ein aktives Aufrichten nicht weiter. Sie vermindern dadurch eher die Funktion.

Eine biomechanisch optimale „Haltung“, also Struktur, können Sie nicht aktiv einnehmen. Die muss da sein.

Deshalb sind – das sei am Rande bemerkt – manche Übungen aus dem Yoga, in denen man sich krampfhaft aufrecht hält, sehr ungünstig.

Diese werden Sie gesamtkörperlich steifer machen.

Bildnachweis: Axel Kuhlmann, „Karneval der Kulturen 2011“ via flickr.com, Creative Commons BY 2.0

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