23.06.2017
Wenn ich Klienten das richtige Sitzen erkläre, also in hoher Sitzposition, mit nach hinten gekipptem Becken, sodass die Vorderseite lang werden kann und die Lordose des unteren Rückens unterstützt wird, kommt dann oft der fast panische Ausruf: „Aber, dann sitze ich ja im HOHLKREUZ!“.
Von Physiotherapeuten oder Orthopäden wird hier oft regelrechte Panik verursacht und oft empfohlen, die Wirbelsäule in einer „neutralen Position zu halten“. Man soll also sein Becken so weit nach vorne schieben, dass die Krümmung in der unteren Wirbelsäule verschwindet.
Manche Yogis üben das sogar so, dass sie versuchen, mit der ganzen Wirbelsäule eine Wand zu berühren. Die Wirbelsäule also ganz gerade zu bekommen.
Nun weiß eigentlich jedes Kind, dass die Wirbelsäule von der Seite betrachtet eine leichte „S“-Form hat. Das bedeutet, dass es völlig normal ist, dass es im unteren Bereich der Wirbelsäule eine Innenkrümmung, also eine Lordose gibt.
Die Lordose ist DAS evolutionäre Merkmal, das uns überhaupt erst aufgerichtet gehen lässt.
Für eine entspannte, aufrechte Haltung ist es zwingend notwendig, dass die Vorderlinie – also vom Schambein bis zum Hals – möglichst lang und konvex ist. Logischerweise kommen Sie im Rücken dann in eine größere Lordose und eine geringere Kyphose (also weniger Rundrücken).
Dies wäre nur dann problematisch, wenn Sie sich in einer „Hyperlordose“ befinden. Eine Hyperlordose liegt dann vor, wenn Ihre Hüftachse nach vorn geschoben ist.
Die Hüftachse ist eine gedachte waagerechte Linie durch Ihre Hüftgelenke hindurch. Wenn diese vor der gedachten senkrechten Linie durch Ihre Körpermitte liegt, entsteht ein ungünstiger Druck auf die unteren Lendenwirbel. Steht die Hüftachse hinter der senkrechten Linie, sind die unteren Lendenwirbel entlastet.
Sie können das ganz einfach selbst überprüfen: Stellen Sie sich hin. Schieben Sie nun Ihr gesamtes Becken nach vorn, sodass der Oberkörper zurückfällt. Sie sollten jetzt einen Druck auf den unteren Lendenwirbeln bemerken. Dies umso mehr, je weiter Sie das Becken nach vorn bringen. Stellen Sie sich dabei einfach vor, dass Ihre Körper nur aus zwei Teilen besteht: Oberkörper und Beine. Das Becken ist ein Scharnier. Wenn Sie das Scharnier in eine Richtung bringen, geht der obere Teil zurück und der untere nach vorn. Bringen Sie das in die entgegengesetzte Richtung, ist es umgekehrt.
Machen Sie also nun den Gegentest: Schieben Sie das Becken nach hinten. Sie spüren dann, wie die Belastung in den unteren Lendenwirbeln nachlässt. Ganz nebenbei bemerkt ist die letztere Position auch die ökonomischere. Diese können Sie ziemlich lange halten.
Kurz: Eine Lordose – also ein „Hohlkreuz“ – ist dann und nur dann ein Problem, wenn die Hüftachse nach vorn geschoben ist.
Ein Hyper-Hohlkreuz entsteht unter anderem durch langes und falsches Sitzen. Beim „normalen“ Sitzen ist die Kernmuskulatur, bestehend aus dem M. Psoas (Hüftbeuger) und dem Beckenboden, inaktiv und neigt zur Verkürzung und zieht dadurch die Wirbelsäule in ein übertriebenes Hohlkreuz.
Für richtiges Sitzen ist eine entspannte Lordose unabdingbar. Nur so sitzen Sie vor den Sitzbeinhöckern auf dem flachen Beckenboden. Und nur so kann sich die Vorderseite mühelos verlängern.
Vergessen Sie also einfach das „Hohlkreuz“.
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