Welche Matratze ist die richtige? Oder: Die beste Matratze der Welt!

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01.02.2016

In einem Loriot-Sketch kommt ein Ehepaar in ein Bettengeschäft, um ein Bett zu kaufen. Der Dialog beginnt mit dem ganz einfachen Anliegen:
„Wir hätten gern ein Bett.“

Darauf der Verkäufer: „Haben Sie da an eine Schlaf-Sitz-Garnitur gedacht, mit versenkbaren Rückenpolstern, eine Couch/Drehkombination oder das klassische horizontale Ensemble?

Loriot: „Wir schlafen im Liegen …

Verkäufer: „Aaah ja. Da haben wir hier das Modell „Allegro“ mit doppeltem Federkern und Palmfaserauflage. Für das Bezugsmaterial der Matratze können Sie wählen zwischen einer imprägnierten Halbzwirnware oder gedrilltem Volon. … Die Federmuffen sind einzeln aufgehängt und kreuzweise verspannt. Also hüftfreundlich in der Seit- und Bauchlage.“

Was Loriot in diesem Sketch aufs Korn nimmt (und der Sketch ist schon 40 Jahre alt), ist der Albtraum eines jeden, der sich den Fängen der Betten- und Matratzenindustrie aussetzt. Sie ziehen mit einem sehr einfachen Anliegen los und finden sich alsbald in einem undurchdringlichen Dickicht von „Experten“ wieder, die Ihnen alle möglichen Ratschläge zur richtigen Matratze geben.

Dabei ist die Antwort auf die Frage „Welche Matratze ist die richtige?“ ganz einfach. Dazu aber später.

Hersteller von Matratzen haben für ihr jeweiliges Produkt viele Behauptungen, warum gerade diese Matratze oder jene besonders gut. Ein Hersteller eines besonders teuren Produkts schreibt:

„Bei [Firmenname] glauben wir, dass sich die Matratze – unabhängig von Ihrer Statur, Größe oder Ihrem Alter – Ihrem individuellen Körper anpassen muss, und nicht andersherum.“

Wenn Sie also einen Buckel haben, muss die Matratze diesen Buckel unterstützen – und zwar unabhängig von Ihrer Statur, Größe und Ihrem Alter.

Dass diese Empfehlung des Unternehmens nicht auf harten, experimentellen wissenschaftlichen Untersuchungen fußt, erkennen Sie daran, dass sie „glauben, dass …“. Ein wunderschöner freudscher Fehler, wie ich finde.

Da sich die Hersteller mit den unterschiedlichsten Behauptungen brüsten, suchen viele Menschen Rat bei „unabhängigen“ Instituten – etwa der Stiftung Warentest.

Dadurch wird die Suche nach einer Matratze nicht wirklich einfacher. So unterscheidet die Stiftung Warentest 4 verschiedene Körpertypen: H-Typen, E-Typen, I-Typen und A-Typen (ja, Sie haben richtig gelesen. Die Buchstaben ergeben das Wort „HEIA“. Witzig, gell?). Diese Typen (also die Körpertypen, nicht die Typen von der Stiftung Warentest ;-)) unterscheiden sich nach Statur und Gewichtsverteilung. Dann muss man noch wissen, ob man bevorzugt auf dem Rücken oder Seite schläft.

Und dann können Sie sich entscheiden zwischen verschiedenen Matratzentypen, als da wären: Federkern, Taschenfederkern, Boxspringbetten, Schaummatratzen, Latexmatratzen und Wasserbetten.

Ach so: Vergessen Sie nicht, auch noch den richtigen Lattenrost auszuwählen. Denn der hat – je nach Verkäufer – unter Umständen einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität Ihres Schlafes.

Möchte man in diesem Dickicht zu einer klaren Antwort kommen, so gibt es diese Möglichkeiten:

  • Man schaut sich einmal an, wie andere Völker, Naturvölker gar, schlafen
  • Man schaut sich an, wie es kleine Kinder tun
  • Man experimentiert selbst

WIE SCHLAFEN NATURVÖLKER?

Die Anthropologin Carol M. Worthman hat sämtliches verfügbares wissenschaftliches Material zu den Schlafgewohnheiten von Naturvölkern zusammengetragen und in einer Überblicksarbeit zusammengefasst. Zu den untersuchten Gruppen zählten unter anderem Jäger- und Sammlervölker wie die Aché in Paraguay, die !Kung in Afrika, Hirtenvölker in Pakistan sowie balinesische Bauern. Das Ergebnis:

„Adult sleepers in traditional societies recline on skins, mats, wooden platforms, the ground, or just about anything except a thick, springy mattress. Pillows or head supports are rare, and people doze in whatever they happen to be wearing.“ (ScienceNewsOnline).

Meine Übersetzung: „In traditionellen Gesellschaften betten sich die erwachsenen Schläfer auf Häuten, Matten, hölzerne Plattformen, den Boden oder auf beinahe alles – außer auf eine dicke, federnde Matratze. Kissen oder Kopfstützen sind selten und die Menschen schlafen in allem, was sie gerade anhaben.“

Zu fast identischen Ergebnissen kommt der Physiotherapeut Michael Tetley in seinem Artikel „Instinctive sleeping and resting postures: an anthropological and zoological approach to treatment of low back and joint pain„. Tetley, der nach eigenen Aussagen in einer Stammesgesellschaft aufwuchs, kommt zu dem Schluss, dass Waldbewohner oder Nomaden weniger Erkrankungen des Bewegungsapparates haben und das Kissen für einen Schlaf vollkommen unnötig sind.

Wer schon einmal Säuglinge und Kleinkinder beobachtet hat, weiß, dass man sie praktisch auf jeden Untergrund legen kann – selbst auf einen harten Holzboden.

DIE BESTE MATRATZE DER WELT

Die Frage danach, welche Matratze die richtige ist, lässt sich ganz kurz beantworten. Die beste Matratze ist gar keine Matratze.

Wie ein kurzer Blick auf anthropologische Untersuchungen zeigt, ist das Konzept der „Matratze“ in anderen Kulturen praktisch nicht bekannt. Wenn wir davon ausgehen, dass es im allergrößten Teil der Jahrmillionen menschlicher Evolution höchstwahrscheinlich keine Matratzen gab, so ist es plausibel anzunehmen, dass für einen guten Schlaf eine Matratze gar nicht notwendig ist.

Wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass jeder Mensch über einen prinzipiell gleichen Körperaufbau verfügt, so ist es auch plausibel anzunehmen, dass für alle Menschen gleiche Bedingungen für gleich guten Schlaf sorgen müssten.

Warum tun einem „Seitenschläfer“ dann harte Matratzen weh?

Nehmen wir einmal an, dass das Erspüren bestimmter Druckstellen, je nach Liegeposition, eine Rückmeldung des Körpers über verhärtete Stellen ist. Eine dicke, weiche Matratze nimmt Ihnen diese Rückmeldung. Matratzen berauben Sie einer unmittelbaren Körpererfahrung. Ihre Strukturen werden im Laufe der Zeit immer härter – Ihre Matratze muss immer weicher werden.

Damit sich Ihr Körper überhaupt komplett entspannen kann, braucht er die Rückmeldung einer harten Unterlage. Erst, wenn nichts mehr nachgeben kann, weiß ihr Körper, dass er komplett loslassen kann. Ist das nicht gegeben, hält der Körper permanent irgendwo fest. Die Folge sind Verspannungen am nächsten Morgen, die sich auf Kurz oder Lang dauerhaft im Körper manifestieren. Ihr Körper arbeitet also die ganze Nacht, anstatt sich zu entspannen. 

Eine harte Unterlage sorgt dafür, dass sich Ihre Faszien im Schlaf aufziehen. Wenn Sie das noch nicht gewohnt sind, werden Sie am Morgen primär im Rücken ein Spannen bemerken, das Sie als unangenehm empfinden. Das wird mit der Zeit weggehen.

VON DER MATRATZE WEG. SCHRITT FÜR SCHRITT.

Sie können das harte Liegen auch selbst ausprobieren. Ich persönlich schlafe auf dem (Parkett-)Boden. Zunächst lege ich eine rutschfeste Yoga-Matte auf den Boden. Diese dient nur dazu, die Auflage daran zu hindern, in der Nacht „Knubbel“ zu bilden. Auf die Yoga-Matte kommt dann eine Decke, die ich der Länge nach in der Mitte falte.

Wenn Sie noch „Anfänger“ sind, dann können Sie auch eine mit Baumwolle gefüllte gesteppte Bettdecke nehmen und diese falten. Nach und nach können Sie die Dicke dann reduzieren.

Ich habe anfänglich eine „Vierjahreszeitendecke“ von der schwedischen Firma genommen (so etwas hier). Da gibt es eine dünne Decke für den Sommer, eine mittlere für „den Übergang“ und wenn man beide zusammen nimmt, hat man eine dicke Winterdecke. Am Anfang nimmt die „Übergangsdecke“, dann die Sommerdecke als Unterlage. Und schließlich eine x-beliebige Wolldecke oder ein Plaid.

Die Eingewöhnung kann 2, 3 Wochen dauern. Danach aber haben Sie keine Lust mehr auf ein „normales“ Bett mit Matratze. Sie haben sogar Ihr „Bett“ immer mit dabei. Im Hotel schlafen Sie nur noch auf dem Boden.

Wenn Sie sich eingewöhnt haben und lieber in einem richtigen Bett schlafen wollen, dann kaufen Sie sich einen echten japanischen Futon (der besteht nur aus Baumwolle, ohne Latex). Darunter legen Sie einen Tatami – das ist gepresster Reisstroh, womit man in Japan traditionell Räume auslegt. Dieser isoliert und sorgt für eine Belüftung des Futon. Macht also das, was ein Lattenrost machen soll. (Apropos: Ein Lattenrost hat übrigens nur eine einzige Funktion: Dafür zu sorgen, dass die Matratze von unten belüftet wird und also nicht schimmeln kann. Das bedeutet für Sie: Kaufen Sie sich den billigsten Lattenrost, den Sie finden können. Der wird seinen Zweck ganz hervorragend erfüllen).

Ein Futon ist ebenso knüppelhart wie der Boden, bietet aber den psychologischen Vorteil, dass er weich aussieht.

Bildnachweis: Hirotomo Oi futon, Regency Suite Tatami CC BY-NC

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