22.05.2020
Klienten glauben oft, dass Schmerzzustände in einer Körperregion zwangsläufig mit einer tatsächlichen Schädigung einhergeht, also bspw. Sehnenan- oder abriss oder ähnlichem.
Der Witz ist, dass eine tatsächliche Schädigung nicht notwendigerweise Schmerzen macht und umgekehrt.
Wenn Sie bspw. Rückenschmerzen haben und der Arzt bei einem CT oder MRT eine vorgewölbte Bandscheibe sieht, dann wäre die Ursachenzuschreibung „vorgewölbte Bandscheiben verursacht Schmerzen“ willkürlich, denn sie stellt bestenfalls ein Korrelat dar.
Denn was Sie in einem solchen Bild nicht sehen, ist die hohe Anzahl derer, die auch eine vorgewölbte Bandscheibe, aber keine Schmerzen haben.
Ich will Ihnen das heute anhand einiger Untersuchungen zeigen, in denen es um Schulterschmerzen geht.
Es geht konkret um eine Ruptur der Rotatorenmanschette. Die Rotatorenmanschette ist eine Gruppe von vier Muskeln mit dazugehörigen Sehnen, die zusammen eine Sehnenklappe bilden, die das Schultergelenk umfasst.
Diese Manschette ist gerne einmal verletzt bzw. gerissen.
Rein intuitiv würde man natürlich vermuten, dass es eine 1:1 Korrelation zwischen einer Ruptur der Rotatorenmanschette und bestimmten Schmerzzuständen gibt.
Wie die folgenden Forschungsergebnisse zeigen, ist dem nicht so.
- In einer Studie von Kim et. al. wurden an 237 Leuten ohne Schulterschmerzen Ultraschall Scans vorgenommen. 41 davon hatten in mindestens einer Schulter eine Ruptur der Rotatorenmanschette. Bei 4 davon muss es einmal sogar einen kompletten Durchriss in beiden Schultern gegeben haben.
- In einer größeren Studie (Tempelhof et. al.) wurden gar 411 Personen ohne Schulterschmerzen untersucht. 23 % davon hatten eine Ruptur.
- Per MRI Scan schauten sich Sher et. al. die Schultern von 96 ohne Schulterschmerzen Probanden an. 34 % davon hatten eine Ruptur der Rotatorenmanschette.
- Jetzt wird’s spannend: Needel et. al. machten MRI Scans von 100 Individuen ohne Schulterschmerzen. Davon hatten 22 einen partiellen und 14 einen kompletten Riss der Rotatorenmanschette. Spannend ist, dass 76 % davon Schulterarthritis und 37 % knöcherne Sporne hatten („bone spurs“). Wie schon erwähnt, aber keine Schulterschmerzen.
Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt keinen 1:1 Zusammenhang zwischen einem sichtbaren Schaden und einem Schmerzsymptom.
Wie sagte neulich jemand einmal etwas böswillig: „Wir haben zwar immer noch keine Ahnung, dafür jetzt aber bunte Bilder.“ 😉
Bildnachweis: Injurymap, „Rotator cuff syndrome“, flickr.com – CC BY 2.0
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