10.07.2020
Vielleicht haben Sie ja schon einmal vom Karpaltunnelsyndrom gehört.
Darunter versteht man Schmerzen oder Parästhesien (unangenehme, jedoch nicht scherzhafte Körperempfindungen) meist „idiopathischer“ Natur (will sagen: die wirkliche Ursache ist meist nicht bekannt).
Als Ursache wird eine Nervenkompression des „Nervus Medianus“ im Bereich des Handgelenks angenommen.
Nun hatte ich ja an anderer Stelle schon einmal geschrieben, dass tatsächliche Nerveneinengungen oder -quetschungen recht selten sind. Das liegt einfach an der, wenn man so will, anti-fragilen Bauweise des menschlichen Körpers. Da, wo ein Nerv verläuft, ist ausreichend Platz, dass er sich hin- und herbewegen kann.
Es gibt beim Karpaltunnelsyndrom in der Tat Situationen, wo es zu einer Einengung kommen kann, etwa bei Tumoren. Das ist aber nicht der Regelfall.
Bei vorliegendem „Karpaltunnelsyndrom“ gibt es zwei Varianten der Behandlung:
Ein Karpaltunnelsyndrom kann bspw. auftreten, wenn bestimmte monotone Bewegungungen häufig ausgeführt werden. Wenn Sie bspw. den ganzen Tag Schrauben reindrehen und immer wieder diese dafür notwendige Handgelenksdrehung machen, kann das in einem Karpaltunnelsyndrom resultieren. Die Behandlung ist dann relativ simpel: Kaufen Sie sich einen Akkuschrauber und damit wird sich auch das Syndrom legen. Allgemeiner: Vermeidung der auslösenden Bewegung.
Bei einer Operation wird das aus Bindegewebe bestehende Band zur Druckentlastung durchtrennt. Solche Operationen werden in Deutschland gut 300.000 mal im Jahr durchgeführt und ich habe mir sagen lassen, dass manche Handchirurgien nichts anderes machen. In Überblicksarbeiten wird der Operation eine Erfolgsquote von über 90% bescheinigt (hier). Jedoch werden diese nicht gegen das Nichtstun oder eine konservative Behandlung getestet. Ich hatte ja schon an dieser Stelle einmal geschrieben, dass Operationsmethoden in aller Regel nicht placebo-getestet sind.
In einer randomisierten, klinischen Kontrollstudie stellte sich heraus, dass es zwischen konservativer Behandlung, also Physiotherapie und Operation keinen Unterschied im Heilungsverlauf gab. Langfristig funktionieren beide Varianten gleich gut. Die Ergebnisse der Physiotherapie waren kurzfristig sogar günstiger (nachzulesen hier und hier).
Wenn Sie bedenken, dass eine Operation auch immer mit einem Risiko verbunden ist (bspw. Krankenhauskeime), so gibt so gesehen keinen Grund für eine Operation, zumal sich das Karpaltunnelsyndrom auch in einem spontanen Heilverlauf verabschieden kann (Ausnahmen wie Tumor oder Ganglion, siehe oben).
Ich hatte auch schon Klienten in meiner Praxis bei denen der Zustand nach der OP der gleiche wie vorher war.
Muss man beim Karpaltunnelsyndrom also zwingend operieren? Dazu ein entschiedenes: „Nicht unbedingt“.
Bildnachweis: handarmdoc, „Untitled„, CC BY 2.0
Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Abonnieren Sie meine Faszienbriefe für regelmäßige Artikel
zu den Themen Faszien, Gesundheit, Bewegung und Ernährung.
Plus: Hin und wieder spezielle Angebote.