11.12.2019
Heute üben wir uns im Lesen von Körperstrukturen. Wenn Sie, so wie ich und andere Körper-Therapeuten, täglich damit zu tun haben, fangen Sie irgendwann an automatisch immer die Körper Ihrer Mitmenschen zu lesen. Sollten Sie mich also einmal dabei erwischen, wie ich gerade einer Dame hinterherblicke, dann analysiere ich – natürlich! – gerade die Körperstruktur.
Analysieren kann man allerdings nicht nur lebendige Menschen, sondern auch Schaufensterpuppen.
Diese Kleiderständer verraten uns nämlich eine Menge über die durchschnittlichen Strukturmerkmale der Standardbevölkerung.
Wenn Sie eine solche Puppe einkleiden, ist es sinnvoll, wenn die Puppe einem gewissen Durchschnitt entspricht. Zum einen erleichtert das die Identifikation mit dem Produkt und zum anderen erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass die Klamotten auch passen (meine damalige Freundin, mit der ich in Hongkong war, konnte fast keine der dort ausgestellten und für den chinesischen Markt produzierten Sachen tragen. Sie passten einfach nicht, weil eben die durchschnittlichen Maße einer Chinesin anders sind, als die einer Europäerin).
So stieß ich also vor einiger Zeit in der Dresdner Innenstadt auf obige Schaufensterpuppe.
Was wir hier sehen, ist eine Struktur, die mir recht häufig begegnet – insbesondere bei jungen Menschen.
Wir erkennen zunächst den ziemlich stark nach vorne gezogenen Kopf. Dieser wiederum resultiert aus einem zu starken Zug in der Vorderseite. Man sieht, dass der Brustkorb sich gar nicht richtig öffnet, sondern ziemlich flach ist. Die Spannung in der Vorderseite bewirkt auch, dass sich die Schultern nach vorne einrollen. Insgesamt ist die Vorderseite eher konkav, als konvex (wie es richtig wäre). Das ist bei dieser Puppe jetzt noch nicht ganz so krass, bei den besagten jungen Leuten ist der Brustkorb oft dermaßen eingefallen, dass er eher eine Rinne gleicht, durch die Wasser fließen könnte.
Achten Sie nun einmal auf die Schrägstellung der Beine. Das sehe ich auch ziemlich oft. Das sieht beinahe aus wie bei einem Skispringer. Hier steht einfach das Becken nicht richtig. Stellen Sie sich einmal einen Bleistift vor, den Sie in der Mitte durchsägen. An den Schnittpunkten bringen Sie jetzt ein Scharnier an. Der obere Teil ist Ihr Oberkörper und der untere Teil Ihr Unterkörper.
Sie schauen also jetzt auf den Bleistift. Wenn Sie das Scharnier, also den Verbindungspunkt zwischen oben und unten, nach links bewegen, dann stellt sich der untere Teil am Scharnierpunkt nach vorn und unten nach hinten, währen umgekehrt sich der obere Teil oben nach rechts bewegt. Der obere Teil fällt also zurück. Also genau wie bei der Schaufensterpuppe.
Den Scharnierpunkt bezeichnen wir als „Hüftachse“. Wenn diese aufgrund ungünstiger Spannungszüge zu weit nach vorne geht, dann stehen die Beine nach vorn und der Oberkörper nach hinten, was wiederum die Lendenwirbel komprimiert. Außerdem ist diese Position extrem instabil. Jemanden mit dieser Körperstruktur können Sie mit sehr wenig Kraftaufwand ganz locker aus dem Gleichgewicht bringen. Auch einen 120 Kilo Mann.
Wir sehen auch gleich den Grund, warum die Hüftachse nach vorne fällt: Der Mann trägt Schuhe mit Absatz. Die verschieben nämlich das Becken, weil der Körper eine Ausgleichsbewegung macht. Die Position des Beckens hat aber den größten Einfluss auf unsere Körperstatik, weshalb Absatzschuhe ziemlich ungünstig sind.
Ich bin sicher, wenn Sie das nächste Mal in ein Kaufhaus gehen, werden Sie sich die Schaufensterpuppen mit ganz anderen Augen ansehen, oder?
Bildnachweis: Foto von Udo Butschinek – Public Domain
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